Salzschäden an Kulturgütern
Stand des Wissens und ForschungsdefiziteErgebnisse des DBU Workshops im Februar 2008
in Osnabrück
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http://elearn.hawk-hhg.de/projekte/salz ... -klein.pdfSalze sind neben Sauerstoff und Feuchtigkeit auch notwendige Bedingung für
Metallkorrosion. Im Elementarschritt der Metallkorrosion (Oxidation) verlässt ein
Metallatom (M) den Metallverband an sogenannten anodischen Stellen, um unter
Zurücklassung eines oder mehrerer (n) Elektronen (e-) als von Wasser umgebenes
Kation (Mn+) in Lösung zu gehen:
M ! Mn+ + ne-
Diese Reaktion käme schnell zum Erliegen, wenn der Elektronenüberschuss, der
durch das leitfähige Metall fließen kann, nicht an anderen (sog. kathodischen)
Stellen verbraucht würde (Reduktion). In der Regel werden sie auf gelöste Sauerstoffmoleküle
(O2) übertragen:
O2 + 2H2O + 4e-! 4OHWerden
die Metallkationen nicht durch vorhandene Anionen auf dem Metall zu
unlöslichen Korrosionsprodukten ausgefällt, so wandern sie in die Lösung ab. Die
Weiterkorrosion zu gelösten positiven Metallkationen ist aber nur möglich, wenn
deren Ladung in der Lösung durch hinzudiffundierende negative Anionen
kompensiert werden kann. Zwar sind durch die Eigendissoziation des Wassers und
die Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft und der damit verbundenen Bildung
von Hydrogencarbonat-Ionen auch in entmineralisiertem Wasser geringe Mengen
von Anionen vorhanden, zusätzlich präsente Anionen aus löslichen Salzen
beschleunigen die Korrosion aber stark. Gibt man je einen Tropfen destilliertes
Wasser bzw. Salzlösung auf blankes Eisen, lässt sich dies sinnfällig demonstrieren.
Schutz vor Korrosion ist für empfindliche Metalle daher nur möglich, wenn
mindestens einer der drei Korrosionsfaktoren Wasser, Sauerstoff oder Salze vom
Metall fern gehalten wird. Entsprechende Konservierungsstrategien sind daher das
Aufbringen von Schutzlacken, die Trockenlagerung, die Aufbewahrung unter
Schutzgas oder die Entsalzung.
Neben dieser allgemeinen beschleunigenden Wirkung von Ionen gibt es auch
spezielle katalytische von Chloridionen sowohl auf die Eisen- als auch die Kupferlegierungskorrosion.
Letztere tritt als „Bronzekrankheit“ vor allem an Funden aus
Trockengebieten oder dem Meer auf, wenn diese höherer Luftfeuchtigkeit ausgesetzt
sind und Nantokit (Kupfer-I-chlorid) in der Nähe eines Metallkerns enthalten
(SCOTT, 2002). Dieser wird mit Sauerstoff und Wassermolekülen aus der Luft zu
Hydroxychloriden des 2-wertigen Kupfers (z.B. Paratacamit und Atacamit)
oxidiert. Zweiwertiges Kupfer kann mit metallischem Kupfer wieder einwertiges
Kupfer nachbilden, so dass sich ein zyklischer Prozess ergibt, der alles metallische
Kupfer letztlich zu Korrosionsprodukten umsetzt. Zur Prophylaxe hat man im
Britischen Museum schon früh Vitrinen mit Trockenmittelschubladen (Silikagel)
eingesetzt, um die Luftfeuchtigkeit dauerhaft unter 40% zu halten. Verfahren zur
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Entfernung des Chlorids, etwa durch langzeitige Behandlung mit Sesquicarbonat-
Lösungen zur Umwandlung der Chloride in Carbonate, zeigten dagegen keinen
sicheren Erfolg. Heute werden anfällige Bronzen in der Regel mit einer frischen
3% (w/v) alkoholischen Benzotriazol(BTA)-Lösung getränkt, am besten im
Vakuum, mit anschließendem Schutzlacküberzug. Der Korrosionsinhibitor BTA
reagiert sowohl mit einwertigen als auch zweiwertigen Kupferverbindungen zu
komplexen, nicht völlig aufgeklärten Reaktionsprodukten. In den meisten Fällen
verhindert er den erneuten Ausbruch von Bronzekrankheit zuverlässig (zu Details
der Bronzekrankheit und ihrer Behandlung siehe SCOTT, 2002).
Schon im 19. Jahrhundert wurde die desaströse Wirkung von Chloriden auf ausgegrabene
Eisenobjekte erkannt (KRAUSE, 1882). Auch in normalem, nicht sonderlich
feuchten Raumklima bilden sich durch die Volumenexpansion bei der
Neurostbildung Abplatzungen (Abb. 12), rieselnde Rostpulver und stark saure
Flüssigkeitströpfchen (Abb. 13 und 14), die Eisen- und Chloridionen enthalten.
Selbst Volltränkungen mit Epoxidharzen (!) können dies auf Dauer nicht verhindern.
Die im Einzelnen ablaufenden Vorgänge sind noch heute Gegenstand der
Forschung.
Abbildung 12: Römischer Hammerkopf, wenige Jahre nach Restaurierung ohne Entsalzung
(Foto B. Schmutzler, SABK)
Erst seit ZUCCHI et al. (1977) weiß man von der Beteiligung des Akaganéits,
einem Eisen-III-oxyhydroxids ("-FeOOH), bei dem ein Teil der Hydroxidionen
durch in Kanälen der Kristallstruktur eingelagertes Chlorid ersetzt wird. Es findet
sich häufig als säulenförmige Nadeln auf den Flächen der Abplatzungen (Abb. 15).
Die Chloridionen sind in der Struktur des Akaganéits so fest gebunden, dass einfaches
Auswaschen mit Wasser sie nicht entfernen kann. Die Frage, warum diese
Verbindung die Ionen dann nicht auf Dauer dem Korrosionsgeschehen entzieht,
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harrt aber noch einer Antwort. Neuerdings wurden auch die gegenüber Luftsauerstoff
instabilen basischen Chloride des zweiwertigen Eisens ("- und #-
Fe2(OH)3Cl, Hibbingit) in frischen Funden nachgewiesen (GUILMINOT et al.,
2008). In den sauren Flüssigkeitströpfchen hingegen können sich keine basischen
Verbindungen bilden. Trocknen die Fe2+ und Cl- enthaltenden Lösungen aus, bleibt
festes Eisen-II-chlorid zurück. Bei Luftfeuchtigkeiten über 18% liegt es als Tetrahydrat
(FeCl2•4H2O) vor, das in Kontakt mit metallischem Eisen korrosionsfördernd
wirkt. Das unter 18% vorliegende Dihydrat (FeCl2•2H2O) hingegen greift
Eisen nicht an. So erklärt sich diese als Grenzwert für die sichere Lagerung
gemeinhin angegebene Zahl. Inzwischen konnten allerdings WATKINSON und
LEWIS (2005) zeigen, dass ungewaschener Akaganéit (mit auf den Kristalliten
absorbierten Chloridionen) erst bei 12% in Kontakt mit Eisen wirklich Ruhe gibt.
Abbildung 13: ‚Weinendes Eisen’; Eisenchloridtropfen auf einem mittelalterlichen Nagelkopf
(Foto: I. Wiesner, SABK)
Glücklicherweise ist die Korrosion bis zu einem Schwellenwert von ca. 30% bei
realen Objekten aber noch recht langsam (THICKETT, 2005). Da kein Kunststoff
wirklich und dauerhaft gasdicht ist, muss bei der Lagerung von Eisenobjekten in
Plastikdosen mit Silikagel, wie es in Großbritannien üblich ist, das Trockenmittel
regelmäßig regeneriert werden. Periodisches Einbringen frischer Agentien erfordert
auch das Einschweißen in Folienbeutel mit dem Mitsubishi RP-A-System, das
sowohl Sauerstoff als auch Feuchtigkeit und Luftschadstoffe aus dem Beutel entfernt
(GUGGENHEIMER und THICKETT, 2008).
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Abbildung 14: Bildung saurer Eisenchloridlösungen auf einem magazinierten Eisenfund bei
unkontrollierter Luftfeuchtigkeit (Foto B. Schmutzler, SABK)
Abbildung 15: Akaganéitsäulen auf der Abplatzungsfläche eines Eisenfunds (Foto B. Schmutzler,
SABK)
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Die notwendige Wechselhäufigkeit, die bei großen Fundmengen einen nicht
unerheblichen Kostenfaktor darstellt, scheint noch nicht ausreichend geklärt zu
sein. Natürlich lässt sich mit solchen Lagerungsmethoden Zeit gewinnen, wie aber
der zuverlässige Wechsel des Trockenmittels über Jahrzehnte und Jahrhunderte bei
den Fundmassen gewährleistet werden soll, scheint von den Befürwortern der
Methode kaum reflektiert worden zu sein. Für Großobjekte, die schon wegen ihrer
Größe nicht entsalzt werden können, ist dagegen die Trockenlagerung manchmal
alternativlos. So wird der untere, früher dem Meerwasser ausgesetzte Teil der SS
Great Britain nun in einem Trockendock von einer begehbaren Klimakammer
umgeben (WATKINSON und TANNER, 2008). Inwieweit die gelegentlich für mobile
Objekte verwendete Tiefkühllagerung die Korrosion einfrieren kann, wird derzeit
an der Stuttgarter Akademie erforscht, anscheinend wird die Akaganéit-
Neubildung stark verzögert.
Die Entsalzung hat dagegen den Vorteil, dass sie kausal die Chloridionen als Ursache
der hohen Korrosionsneigung entfernt und damit andauernden ständigen
Wartungsaufwand vermeidet. Wasser und normale Natronlauge haben sich dafür
nicht bewährt, weil sie nur einen gewissen Teil des in den Rostschichten eingelagerten
Chlorids auswaschen können. Bei der elektrolytischen Entsalzung wird
die Abwanderung der Anionen aus dem kathodisch geschalteten Eisenobjekt in die
Lauge durch das elektrische Feld unterstützt. Dieses Verfahren ist bei maritimen
Großobjekten häufig das Mittel der Wahl. NORTH und PEARSON führten 1975
stattdessen mit Natriumsulfit (0,5 mol/l) versetzte Natronlauge (0,5 mol/l) in der
Wärme (70º C) ein. Wahrscheinlich können auch verdünntere Lösungen eingesetzt
werden (SCHMIDT-OTT und OSWALD, 2006), allerdings fehlen bisher Messungen
des im Objekt verbliebenen Restchlorids. Typischerweise werden drei Bäder à
zwei Monate verwendet und anschließend sollen im Objekt verbliebene Sulfitoder
Sulfatreste (korrosive Anionen!) mit Bariumhydroxid-Lösung ausgefällt werden.
Die gemessenen Auswaschraten und die beobachtete Korrosionstabilisierung
sprechen eindeutig für dieses Verfahren. Wegen des Aufwands an Gerätschaften
(beheizbare, dicht verschließbare Edelstahlbehälter), Chemikalien, Energie, Zeit
und großer Fundmengen wird es aber nur von einer Minderheit eingesetzt.
STAWINOGA (1996) vereinfachte die Methode durch Verzicht auf die Badheizung
und den Fällungsschritt. Die so erreichbaren Auswaschraten werden derzeit im
Rahmen des DBU-geförderten Stuttgarter Projekts ‚Rettung vor dem Rost’ überprüft
(EGGERT, 2008).
Ursprünglich beruhte der Sulfitzusatz auf der Idee, normalen Rost (FeOOH) zu
reduzieren (z.B. zu Magnetit, Fe3O4), um die dabei freigesetzten Chloride entfernen
zu können (‚reduktives Waschverfahren’). Dies wird aber gar nicht beobachtet,
stattdessen erklärt man sich die Sulfitwirkung nun mit der Entfernung von
Sauerstoff durch Reaktion zum Sulfat. Dadurch wird die Weiteroxidation von
primär bei der Korrosion entstandenem Fe2+ zu Fe3+ und dessen anschließende
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Fällung als Poren verstopfendes FeOOH verhindert. Andere, z.B. für Kesselspeisewässer
verwendete chemische Sauerstofffänger, Hydroxylamin (WIESNER et
al. 2007) und Hydrazin, sind für die Restaurierung von Eisenfunden problematisch.
Dafür bedürfen aber physikalische Methoden zur Sauerstoffentfernung der
weiteren Erforschung. AL-ZAHRANI (1999) entsalzte 10 Eisennägel in mit Stickstoff
entlüfteter Natronlauge anscheinend erfolgreich. Auch der Einsatz von
Vakuum scheint denkbar. Da heiße Flüssigkeiten kaum Gase lösen, reicht
vielleicht sogar nur das einfache Erhitzen in der Natronlauge, was gleichzeitig die
Diffusion beschleunigen würde. Im Autoklaven bei hohem Druck und hoher
Temperatur (‚subkritische Natronlauge’) gelingt jedenfalls die Umwandlung des
Akaganéits und die Chloridauswaschung in kurzen Zeiten, wie Forscher der
Clemson University zeigen konnten (DE VIVIES et al., 2007). – Eine ganz andere
Idee testet ein KUR-gefördertes Projekt (Förderprogramm Konservierung und
Restaurierung mobilen Kulturgutes der Bundeskulturstiftung) in Halle und Stuttgart.
Hier wird Natronlauge durch quaternäre Ammoniumbasen in Wasser und/
oder Alkohol ersetzt, erste vielversprechende Ergebnisse beim Auswaschen von
synthetischem Akaganéit sollen nun an Eisenfunden überprüft werden
Weitere Details zur Auswirkung von Salzen auf die Eisenkorrosion und -konservierung
finden sich bei SCOTT und EGGERT (2009). Die oben geschilderten
Forschungsansätze lassen hoffen, dass das größte Problem der archäologischen
Konservierung, die Entsalzung von Fundmassen aus Eisen, demnächst einer
Lösung näher gebracht wird. Daneben muss die Erforschung des Mechanismus der
Chloridkatalyse der Korrosion von Kupferlegierungen und Eisen vorangetrieben
werden.